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Unsere Lehrer

Anekdoten und Ereignisse

Rudolf Beuthel

Hans Bittner

Hans Christoph

Theodor Dinnesen

Kurt Doß

Ulrich Eidinger

Kurt Haselbach

Dr. Franz Kegler

Karl Kleinschmidt

Hans Krause

Friedrich Lenthe

Otto Schellenberg

Pistolen-Rudi“ lebt gefährlich

In Biologie und Chemie zauberte und experimentierte „Rudi“, eigentlich Studienrats Rudolf Beuthel . „Rudi“ wusste locker haarsträubende Geschichten zu erzählen. So hatte er im Keller unter seiner Wohnung verdächtige Geräusche vernommen, wie er uns einmal erzählte. Daraufhin hatte er seine Gaspistole ergriffen, um einen eventuellen gefährlichen Einbrecher zu bedrohen. Da stand aber kein Ganove, sondern nur eine Hausbewohnerin, und „ Rudi“ schaute mit seiner Pistole im Anschlag wahrscheinlich ganz dumm drein. Daraufhin erweiterten wir seinen Namen zu „Pistolen-Rudi“.

Seine Experimente verliefen nicht immer so wie geplant. Ob eine Küpe im Reagenzglas sich trotz hartnäckiger Bemühungen nicht vorschriftsmäßig rot färben wollte oder bei einem Polymerisationsversuch die plötzliche chemische Reaktion den entstandenen Kunststoff-Pfropfen wie ein Geschoß gegen die Decke knalle ließ – „Rudi“ nahm das gelassen hin. So kündigte er auch eine Klassenarbeit mit den beruhigenden Worten an: „Wir schreiben bald ne' Arbeit, ganz allgemein gebaut.“

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Würdevoll herrschend

Als wir 1952 in das Domgymnasium eintraten, herrschte als Schulleiter Oberstudiendirektor Hans Bittner (1952 bis 1959), ja, herrschte als großer, alter „Chef“ weißhaariger, mit schwarzer Hornbrille über das Lehrerkollegium und etwa 400 Schüler.

Jeden Montagmorgen: Andacht in der altehrwürdigen Aula. Er wie immer im dunklen Anzug betrat die Aula, alle erhoben sich. Der Chef durchquerte im Mittelgang das Schülerspalier mit würdevollen Schritten. Respekt, Respekt!

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Latein mit Ernst und Spaß bei „Vati“ Christoph

Auch wir Schüler des mathematisch-naturwissenschaftlichen Zweiges wollten und mussten das große Latinum erwerben, dann war nach der Unterprima Schluss mit Latein.

In den letzten beiden Jahren setzte nun Studienrat Christoph , genannt „Vati“ Christoph, den Nürnberger Trichter auf unseren Kopf. Vokabeln bildeten nach seiner festen Überzeugung die Grundlage, wie er uns klarzumachen versuchte ist. Schritt für Schritt, Tag für Tag mussten wir als Teil der Hausaufgaben ein lateinisches Vokabelbuch von A bis Z in uns hineinzwängen.

Im Unterricht und in den Klassenarbeiten herrschten Cäsar, Sallust, Cicero und Co. und bereiteten uns viel Kopfzerbrechen. Langweilig konnten wir seinen Unterricht aber nicht finden. Er hatte seine humorvoll-spöttische Art, uns in den Griff zu bekommen. Er konnte aber auch Ernst machen. Für Spaß war er wiederum auch zu haben, ob es ein Tischtennismatch mit Schülern im Doppel war oder ein feucht-fröhlicher Abend. Da konnten wir Schüler, denen er sonst anstrengende Übersetzungsarbeiten in Latein bot, aber auch etwas bieten.

An einem Eckgeschäft gegenüber dem Verkehrsamt war in einem Schaufenster Damenunterwäsche - fein drapiert - ausgestellt. Wenn man mit allen Fingerspitzen beider Hände die Scheibe in Schwingungen brachte, übertrugen sich diese Schwingungen auf die leichten Holzpodeste mit den feilgebotenen Ausstellungsstücken. Ob es nun BHs, Höschen, Nachthemden waren, sie fingen an zu schwanken und fielen schließlich spektakulär um. Ein toller Spaß.“ Vati“ Christoph war begeistert und kaum zu bremsen.

Nach bestandenem Latein-Abi am Ende der 12. Klasse feierten wir mit ihm einen genau so fröhlichen wie feuchten Kommers. Danach stellten wir uns alle (!) in der Großen Straße in Reihe auf dem Bürgersteig am Bordstein entlang auf und „ lösten das Wasser“ (wie man in der Schweiz sagt). Ja, das war Ernst und Spaß mit“ Vati“ Christoph, den wir bei späteren Klassentreffen gern wieder bei uns hatten.

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Auf der Karriereleiter - Ei, der Doß

Nach einem dem Tod von Oberstudiendirektor Bittner folgenden etwa einjährigen Interregnum , in dem “Teacher” Meineke das Domgymnasium kommissarisch leitete, schickte uns das Kultusministerium einen neuen Schulleiter, den Oberstudiendirektor Doß. Er unterrichtete wohl Deutsch und Geschichte. Wie sahen wir ihn? - Sein Lächeln schien uns arrogant, der gab sich weltmännisch als einer, der sich herabließ, in der Provinz dem Volke schulmäßig vorzustehen, womit natürlich nicht die vorstehenden Zähne seines Oberkiefers gemeint sind, die jedoch nicht als äußerliche Sympathieboten eingesetzt werden konnten.

Er betrat zum Geschichtsunterricht der Oberprima unseren Klassenraum und traktierte uns mit den Abläufen der neueren Geschichte. Da ging er dann zwischen den Tischen auf und ab, steckte beide Hände so in die Taschen seines Anzugsjacketts, dass die Daumen abgespreizt nach vorn herausragten, dozierte und stellte uns maliziös lächelnd Verständnisfragen mit der aufmunternden Einleitung: „Nun geben Sie mal eine kluge Antwort als geschulte Historiker!“

Zu spaßen war mit ihm allerdings nicht, das mussten einige von uns erfahren. Bei uns hatte sich bald eine Vermutung durch gesetzt, die auch der distanzierten Betrachtung später standhielt. Das Domgymnasium betrachtet der gute Mann nur als notwendige Zwischenstation für den Sprung auf die nächste Sprosse der Karriereleiter, nämlich eine höhere Stellung im niedersächsischen Kultusministerium in Hannover. Nach wenigen Jahren ist er dort tatsächlich gelandet. Im Grunde ist dagegen nichts einzuwenden.

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Wenn Tünnes naht mit rotem Backen, ... ...

In unserer Abi-Zeitung reimte Eckhardt: „Wenn Tünnes naht mit roten Backen, gibt's für Lateiner was zu knacken.“ Ja, Studienrat Theodor Dinnesen , genannt „Tünnes“, unterrichtete hauptsächlich Latein am Domgymnasium. So sehen wir ihn in der Erinnerung, recht lebhaft, etwas untersetzt und mit unverkennbar hoher Stirn ( nein, es war eine richtige Glatze). Sein immer rosiger Teint nicht nur des Gesichts, nein, des ganzen runden Kopfes, verfärbte sich bei freudiger Erregung, besonders aber bei ärgerlichen Anlässen tief rot und leuchtete wie eine „Osram“-Glühbirne, und seine kleinen Äuglein funkelten unter der braunen Hornbrille.

„Tünnes“ pflegte Latein durchaus handgreiflich zu lehren. Bis zur Mittelstufe konnte er, durch Schwatzen oder sonstige Unterrichtsstörungen aufgebracht, mit rotem Kopf sehr behende zu den Übeltätern eilen, sich hinter sie stellen, um die Köpfe eines oder auch zweier gleichzeitig mit beiden Händen zu bearbeiten. In der Oberstufe war das natürlich nicht mehr angebracht, da förderte er das Denkvermögen der Lateinübersetzer, indem er sie nach vorne rief, sich hinter sie stellte, sie mit dem Kaninchengriff leicht im Nacken, an den Ohren oder an den Haaren des Hinterkopfes griff und dann Latein übersetzen ließ. Bei Fehlleistungen konnte er zur Ermunterung fester zupacken. Ob es geholfen hat?

Seine Ausführungen unterstrich er gewöhnlich durch ein angehängtes „nich wahr?“ oder auch „nich wahr, nich?“ und wenn er so richtig in Fahrt war, steigerte er das zum „nich wahr, nich, nich?“

Aber ansonsten war er eine Seele von Mensch, begeisterter Cellist, bildete sich sogar in Bremen als Streicher dieses Instruments weiter fort.

Wie heißt es in unserer Abi - Zeitung zum Schluss?:

    „......... vorbei sind die Lateinerstunden
    für uns und alle, dich und mich,
    und das ist schön, nich wahr, nich, nich,
    nich wahr, nich, nich?“

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Eine graue Maus in Deutsch?

Mitte der fünfziger Jahre betrat Studienassessor Eidinger, bald darauf Studienrat, das Domgymnasium. Braune, glatte Haare, teigiges Gesichts, Hornbrille mit sehr dunklem Gestell, so erinnern wir uns an seine äußere Erscheinung. Er unterrichtete uns in den beiden letzten Schuljahren im Hauptfach Deutsch.

Über einigen Klassenkameraden, die ihre Stärke in anderen Fächern bewiesen, hing Deutsch wie das Schwert des Damokles auf dem Weg zum Reifezeugnis. Deutsch war damals selbstverständlich nicht „abwählbar", im Gegenteil, eine „fünf“ in Deutsch konnte nicht ausgeglichen werden und ließ kein Abitur zu.

Typisch für Eidinger erscheint, dass er keinen treffenden Spitznamen besaß wie andere. Er war kein „Typ“, nicht extrovertiert, etwas ruhig, zurückhaltend, unscheinbar, ein bisschen „graue Maus“. Den Ablauf der Deutschstunde empfanden wir nicht als lebhaft. Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass er den Unterricht zielstrebig und gewissenhaft vorbereitete und abhielt. Später erst konnten wir im Vergleich mit anderen Abiturienten feststellen, dass aus seinem Unterricht eine ganze Menge bei uns hängengeblieben war. Die vermittelten Grundlagen waren solide.

Eidinger unterrichtete noch lange am Domgymnasium bis zum Beginn der neunziger Jahre. Wie wir vernahmen, machte er sich um die Schulbibliothek sehr verdient. Das ist eines Domgymnasiums würdig.

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Eins, zwei, drei ... ... kommt der letzte Preuß' herbei.

Eigentlich ist es übertrieben, ihn mit dem Etikett eines zackigen Preußen zu versehen, den Studienrats Kurt Haselbach, von dem wir als „Kurtchen Haselbach“ sprachen. Nun ja, wenn der uns als Sportlehrer in der Turnhalle vor den Geräten immer exakt in Reih' und Glied aufstellen ließ und darauf achtete, dass wir Bewegungen, Schritte und Übungen akkurat ausführten, war das mit unserer an den Tag gelegten locker-lässigen Körperhaltung nicht zu vereinbaren. Da konnte „Kurtchen“ dann seine eindrucksvollen dunklen Augenbrauen zusammenziehen und sehr unfreundlich werden.

Aber ansonsten hatte sich der geborene Berliner seine freundliche Aufgeschlossenheit bewahrt und sich recht verständnisvollen im Umgang mit aufmüpfigen Schülern gezeigt.

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„Kg“, der stolze Ostpreuße

Zweifellos eine auffallende Erscheinung, der Dr. Kegler; lang, dürr, immer mit kahl rasiertem Schädel. Er hing der Lebensart früherer Jahre nach, im Winter trug er geknöpfte Filzgamaschen über seinen Halbschuhen.

Er versuchte, den „Lorbassen“ der Mittelstufe Deutsch und Geschichte nahezubringen mit unverkennbarem ostpreußischen Akzent. Da er mit „Kg“ für“ Kegler“ unterzeichnete, was man “Kajee“ ausspricht, hatte sich schon ein simpler Grund für seinen Spitznamen“ Kg“ gefunden.

Im Grunde gutmütig, erweckte er nach außen den Eindruck eines stolzen, in sich gekehrten Lehrers, der sich der Attacken frivoler Schüler zu verwehren hatte. Meist mit übergeschlagenen Beinen auf dem Lehrertisch sitzend, die Hände über dem Knie gefaltet, manchmal mit den Händen auf dem Rücken durch die Gänge stolzierend, ging er seinen Unterrichtspflichten nach. Seine Distanziertheit stachelte uns natürlich auf ihn zu ärgern. Er versuchte sich zu wehren und verhängte Strafarbeiten. Sein Ausspruch: „kriegst schriftlich b.a.w.“, ist uns in Erinnerung geblieben.

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Physik bei „Kalle“-Lernen und Leiden

Als „m“-Klasse auf dem mathematisch-naturwissenschaftlichen Zweig des Domgymnasiums begleitete uns neben Mathematik besonders das Fach Physik bis zum Abitur. Die anderen naturwissenschaftlichen Fächer Chemie und Biologie konnten sich erst in zweiter Linie Geltung verschaffen. Warum? Zu unserer Zeit fußten diese beiden Fächer noch nicht auf den analytischen Grundlagen, die sie gleichberechtigt neben Mathematik und Physik gestellt hätten.

Der Physikunterricht vermittelte uns die Grundlagen eines Fachgebietes, das sich bereits zu unserer Zeit aus vielen eigenständigen naturwissenschaftlichen oder technischen Fachgebieten zusammensetzte. Aus heutiger Sicht hätte das Fach die Bezeichnung „Mega-Physik“ verdient. Es bestand aus der Mechanik (der grundlegenden Wissenschaft für den Maschinenbau und das Bauwesen), der Elektrotechnik (einem technischen Zweig, der in zunehmendem Maße den wirtschaftlichen Fortschritt bestimmen sollte und der nur 30 Jahre später mit der Elektronik den dominierenden spin-off für die Weiterentwicklung der Wissenschaft und Wirtschaft hervorbrachte), der Akustik (eine Teilgebiet, das zusammen mit der Elektrotechnik für viele Hobby-Naturwissenschaftler wichtig werden sollte), der Thermodynamik oder Wärmelehre (eine bereits sehr weit fortgeschrittene Wissenschaft, die als Grundlage für die Herstellung von mechanischen und elektrischen Energieformen in den vergangenen 100 Jahren eine herausragende Bedeutung gewann). Man sieht, die Physik hatte schon damals eine herausragende Bedeutung.

Das galt für uns in besonderem Maße, da wir uns dem naturwissenschaftlich ausgerichteten Zweig unseres Domgymnasium verschrieben hatten. Na, wie weit hatten wir uns ihm denn verschrieben? Wie das eben so ist; der eine aus Neigung, der andere, weil Latein und Griechisch auf dem altsprachlichen Zweig ihm anstrengender später weniger erfolgversprechend erschienen. Man kann also auch sagen: wir wollten uns vor dem extensiven Studium toter Sprachen drücken.

Welche Lehrer führten uns in die Methoden der Physik ein? Es waren an unserer Schule die Studienräte Böhnel, Schwarze, Warnecke und vor allem Oberstudienrat Karl „Kalle“ Kleinschmidt, der uns während der gesamten Oberstufe engagiert, mit hohem Anspruch auf Bedeutung seines Faches Kenntnisse vermittelte. Sein Unterricht war klar gegliedert, zielstrebig, seine Experimente zahlreich und detailliert vorbereitet. Ein idealer Physikunterricht?

Viele in unserer Klasse sahen das anders. Seine menschlich- pädagogischen Fähigkeiten waren wohl schwächer ausgebildet als seine fachlichen. Wenn er einen Schüler als gut eingestuft hatte, dann war der es für ihn auch und blieb es. Die nicht so glücklichen konnten bei ihm nie auf einen grünen Zweig kommen. Sie wurden von ihm verunsichert, er hatte wenig Geduld mit ihnen und ließ sie deutlich spüren, dass sie nicht zu den Auserwählten der Physik zählten. Er schreckte auch nicht davor zurück, ihnen sarkastisch zu empfehlen, doch etwas anderes zu lernen.

Wer dagegen zu seinen Hoffnungsträgern zählte, hatte das Physikabitur praktisch in der Tasche. Zwei ausgewählte Schüler, Volker und Ken, durften ihm an den Abenden vor seinen Physikstunden helfen, die zum Teil sehr aufwendigen Versuche für die Klasse vorzubereiten. Sie erinnern sich, dass manche dieser Versuchsvorbereitungen bis weit über Mitternacht andauerten. „Kalle“ bemerkte dies immer erst sehr spät. Dann kam irgendwann seine Frage an seine beiden „freiwilligen“ Helfer: „Kinderchen, bekommt ihr gar keinen Ärger mit euren Eltern?“

Wenn sie verneinten, hatte er seelenruhig mit ihnen weiter seine Versuche vorbereitet. Da ist die Erinnerung an die Vorbereitung eines Versuches, bei dem die Geschwindigkeit des Lichtes gemessen werden sollte. Sie hatten damals bis fast zwei Uhr nachts diesen sehr aufwendigen Versuch mit ihm aufgebaut. Er entließ sie dann endlich nach Hause. Als sie morgens zur ersten Stunde pünktlich bei ihm im Physikraum auf der Matte standen, schickte er sie in den Vorbereitungsraum:

„Geht schlafen, ich führe den Versuch allein vor!“

Aber natürlich nahmen sie am Unterricht teil, zum Schlafen waren sie noch viel zu aufgekratzt. Die Mühe hatte sich gelohnt: der Versuch funktionierte wie geplant. Sie errechneten eine Lichtgeschwindigkeit von 300.000 Kilometer pro Stunde. Das bedeutet, das Licht benötigt ca. eine Sekunde bis zum Mond oder 8 bis 10 Minuten bis zur Sonne. „Kalle“ diktierte einige grundlegende Aussagen zur Geschwindigkeit des Lichtes, gab uns ein paar Hausaufgaben auf und beendete seinen Unterricht.

In der nächsten Stunden wurde abgefragt. Das geschah meist nach dem gleichen Schema. „Kalle“ setzte sich mit übereinander geschlagenen Beinen vor die Klasse, sah uns fest in die Augen und schleuderte seine Fragen in den Raum. Außerdem schleuderte er die Boten seiner feuchten Aussprache über die vorn Sitzenden. Die duckten sich weg, um nicht durchnässt zu werden. Eigentlich hätten sie eines Regenschirmes bedurft. Danach kam der spannende Moment: Wer würde diesmal sein Opfer? In diesen Sekunden hatte sogar Ken als einer seiner Physik-Spezies gezittert, denn etliche seiner Fragen hätte auch er nicht beantworten können. Doch meist ging der Kelch an ihm auf einfache Weise vorüber, indem „Kalle“ ihn zu den Grundlagen des jeweils behandelten physikalischen Gebietes fragte. Das war für ihn sehr einfach. Er erhielt eine gute Zensur und ein peinliches Lob. Danach konnte er sich beruhigt zurücklehnen. Es war sicher, er kam nicht noch einmal dran. Dafür quälte „Kalle“ die aus seiner Sicht weniger guten Schülern und besonders die „Wackelkandidaten“.

Die Art und Weise, mit der „Kalle“ vor allen Dingen die schlechteren Schüler behandelte, brachte ihm natürlich eine Menge Feinde ein. Diese dachten sich alle möglichen Streiche aus, um ihn zumindest ein wenig heimzuzahlen, was er ihnen an Leid in der Schule zugefügt hatte. Eine seiner Klassen trieb es so weit, ihm die Schlösser seiner Wohnungstür mit Gips zu verschmieren, so dass „Kalle“ das Verlassen seiner Wohnung unmöglich war und er sich von der Polizei befreien lassen musste.

Bei aller Kritik an „Kalles“ schwach ausgebildeten pädagogischen Fähigkeiten müssen wir eingestehen, dass er uns trotz aller Quälereien eine Menge sehr gut brauchbaren physikalischen Grundwissens eingetrichtert hat. Das haben alle die von uns gemerkt, die nach der Schule in ihrem Studium sich auch mit der Physik beschäftigen mussten. Wir hatten wesentliche Dinge bereits bei ihm in der Schule beigebracht bekommen.

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Der „Kunstbock“

Natürlich gehört auch Kunst zu den Fächern, in denen wir Domgymnasiasten unterrichtet wurden, auch wenn es die geringe Bedeutung eines Nebenfaches nicht leugnen konnte. Derjenige Kunstlehrer, der sich am stärksten mit darstellender Kunst identifizierte, war Studienrat Krause, genannt „Kunstbock“ oder kurz „Kubo“.

Vielleicht um sich als Künstler vom gemeinen Schulvolk abheben zu können, trug er immer einen weißen Kittel. Kunstunterricht bedeutete für uns nicht Aufnahme anstrengenden Lehrstoffes, sondern galt mehr als Vorstufe von Freizeit und Entspannung.

„Kubo“, im Grunde zurückhaltend und misstrauisch, gab sich als vornehmer Vertreter eines bedeutenden Faches. Wir als naturwissenschaftlich ausgerichtete, aber sonst auf Abwechslung bedachte Schüler, konnten seine anspruchsvolle Botschaft wenig überzeugend finden.

Also malten, zeichneten, klebten wir Bilder, deren Themen er vorgab. Wenigstens Christian, der „Künstler“ in unserer Klasse, der später Architektur studierte und auch Architekt wurde, und Klaus hatten einen ansehnlichen künstlerischen Einschlag, für die anderen war die Doppelstunde im besten Falle Entspannungsmöglichkeit, im fragwürdigeren Sinne die unterhaltsamen Möglichkeit, „Kubo“ ein wenig zu provozieren. Es gehörte zu unserer Imagepflege, von „Kubo“ in das Kassenbuch wegen irgendwelcher – im Grunde harmloser - Schandtaten eingetragen zu werden. Immerhin, aus seinen Vorträgen zur Theorie ist etwas haftengeblieben. Das Erkennen der Stilarten zum Beispiel, der Unterscheidung zwischen materialgerechter Verarbeitung eines Werkstoffes und Kitsch. Das war es dann schon.

Fast hätten wir die Geschichte mit den Tuben vergessen. Irgendwie, der Ursprung liegt im dunkeln, hatte „Kubo“ durch den Kauf oder die Beschäftigung mit Farbtuben wohl unsere Aufmerksamkeit erregt, es entstand jedenfalls der Ausspruch vom „Kunstbock aus der Tube“. Er bekam das mit und wachte argwöhnisch darüber, dass etwaige Tafelschmierereien mit einem Männerkopf, der aus einer Tube hervorschaut, schnell gelöscht wurden.

Einmal beauftragte er einen neuen Schüler, namens Hünerschulte, während der Stunde im nahegelegenen Fachgeschäft Mahnke Farben im Gläschen für ihn zu kaufen. Der kam aber mit leeren Händen wieder und meldete ahnungslos, dass es das nicht in Gläsern, sondern nur in Tuben gäbe. Die Klasse brüllte los. „Kubo“ zuckte ob dieser vermeintlich ungeheueren Provokation zusammen. Aber dem Gesicht des völlig verdatterten Hünerschulte entnahm er glücklicherweise, dass hier kein frevelhafter Anschlag auf seine Reputation geplant war, sondern dass es sich um Unkenntnis handelte.

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Jeder in der Schule kannte einen, den man „Fidi“ nannte.

Unseren Musiksaal mit seinen langen dunkelgrünen Bänken und dem Flügel auf dem Podium beherrschte Oberschulelehrer Friedrich Lenthe, genannt „Fidi“ Lenthe. „Fidi“, schon seit langem weißhaarig, mit meist rotem Gesicht unter seiner Hornbrille reagierte empfindlich auf Schülerscherze, die seiner Autorität und der deutschen klassischen Musikkultur abträglich zu sein schienen. Um gerade Haltung bemüht, aber manchmal doch etwas vornüber gebeugt gehend, erzählte er mit sonore Stimme von cis und fis, Instrumenten, Komponisten und deren Werken, mit dem Schwerpunkt auf klassischer Musik, versteht sich. Das brachte er uns nicht systematisch und nicht erkennbar gegliedert bei. Wenn er von den großen Meistern mit schwärmerischem Gesichtsausdruck berichtete und vielleicht auch stolz über ein riesiges Tonbandgerät Passagen aus deren Werken ertönen ließ, war er in seinem Element. " Fidi " strahlte.

Von Kritik an deutscher Tonkunst fühlte er sich persönlich getroffen. So hatte er sich bei uns in der zehnten Klasse gerade mit emphatischem Lob über alte Opern ausgelassen und wollte von uns etwas Bestätigendes hören. Da meldete sich Dieter und meinte, die Musik sei ja manchmal ganz eindrucksvoll, aber Text und Inhalt entsprächen dem damaligen Geschmack der gesellschaftlichen Oberschicht, das passe nicht in die heutige Zeit. Der Inhalt sei auch nicht sehr anspruchsvolle. Die ständigen Wiederholungen in manchen Gesangspassagen fand Dieter auch nicht sehr reizvoll.

Man sollte meinen, na ja, etwas Wahres ist da schon dran, aber dem jungen Mann fehlt vielleicht noch das Verständnis für diese Art von Musik, das kann dann später kommen. Nicht so “Fidi“ Lenthe. Mit hochrotem Kopf rief er empört, was dieser Schüler sich erlaube, Höhepunkte deutschen Musikschaffens zu verunglimpfen, das sei unreif, das sei unglaublich.

Sofort schnappte er sich den „Nestbeschmutzer“ und schleppte ihn zum Direktor. Sehr erregt beklagte er sich bei ihm bitter und erwartete wohl eine Bestrafung dieses Frevlers. Der gute Direktor, zuerst etwas ratlos, meinte dann aber, dass der Lehrer solche unüberlegten Worte noch nicht ausgereifter Schüler nicht so ernst nehmen solle, teilte Dieter sein Missfallen mit und schickte beide wieder in den Musiksaal.

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Von Schülern zum „Doktor“ ernannt – „Schelli“

Um die Erinnerung an „Schelli“ wachzurufen, müssen wir gedanklich in die Anfangszeiten unserer Schüler-Karriere am Domgymnasium hinabsteigen.

Das Kriegsende lag gerade sieben Jahre zurück, als wir 1952 nach bestandener Aufnahmeprüfung als Sextaner in den „heiligen“ Räumen des Domgymnasiums die Schulbänke drückten. Unser „Handwerkszeug“, bestehend aus grauen Schulbüchern aus grauem Papier, Heften, Bleistiften und Füllfederhalter trugen wir in Schulranzen an sechs Tagen in der Woche in unsere neue Bildungsstätte. Die Zeit der Aktentaschen und Kollegmappen kamen dann später.

Einer unserer ersten Lehrer war Studienrat Schellenberg, genannt „Schelli“. Er unterrichtete uns hauptsächlich in Deutsch, war dann in der 6. und 7. Klasse auch unser Klassenlehrer. Die damalige Klasse blieb natürlich nicht bis zum Abitur zusammen. Aus vielerlei Gründen wurden wir in den nächsten Jahren mit den Schülern der Parallelklasse, in der 7. sogar mit denen zweier Parallelklassen durchmischt. Die Fluktuation in den ersten Jahren, bedingt durch Wohnungswechsel in der Nachkriegszeit, Aufsteiger aus der Mittelschule und Sitzenbleiber war beträchtlich.

Aber zurück zu „Schelli“, einem alten (er stand dicht an der Pensionierungsgrenze), kleinen, schmächtigen Studienrat mit Kneifer. Sein Name musste nicht nur dazu herhalten, zum Spitznamen „Schelli“ weiterentwickelt zu werden, sondern auch für andere Wortspiele. „Herr Schellenberg, es schellt!“ war ein beliebter Schülerausruf, um ihn nach dem Klingelzeichen an das Unterrichtsende zu mahnen .Er nahm das gelassen hin. Dann kamen wir auf den Gedanken, ihn Herr "Dr." zu rufen - warum, weiß keiner mehr -. Es war wohl gutmütiger Schülerspott, denn Schelli tat zwar seine Pflicht, war jedoch kein begnadeter Pädagoge. Aber in der Nachkriegszeit waren Lehrer knapp, so hatte er eine Planstelle erhalten, der Herr Leutnant aus dem Ersten Weltkrieg. Ja, das war er wirklich gewesen. Wenn es sich so ergab und wir, um Abwechslung vom trockenen Schulstoff bemüht, ihn baten: „Herr Doktor, erzählen Sie uns doch von den „Franzmännern“, wehrte er erst verlegen ab. Dann rückte „Schelli“ seinen Kneifer zurecht, rieb gedankenverloren die Hände, richtete seinen Blick in die Ferne und erzählte uns einige amüsante oder aufregende Erlebnisse aus seiner Kriegszeit im Kampf gegen die Franzosen, die „Franzmänner“.

Wenn einer sich nicht entscheiden konnte, welches Wort er wählen oder welche Regel er anwenden sollte, pflegte er zu sagen: „Das kannst Du halten wie der Pfarrer Aßmann.“ „Wie hielt der es denn?“ Seine Antwort: „Wie er’s wollte.“ Das leuchtete dann ein.

Wahrscheinlich fiel ihm seines Alters wegen der Unterricht schwer. So wollen wir es erklären, dass er Stammgast bei „Blume“ war, einer Gaststätte unweit des Domgymnasiums. Dort „erholte“ er sich nach Schulschluss bei etlichen Hochprozentigen und den dazugehörigen Bieren. Seine Schräglage bei Verlassen des Lokals war nicht zu übersehen. Er hatte bis zu seiner Wohnung noch einen beträchtlichen Fußmarsch vor sich. Aber manchmal nahm er auch sein Auto, jawohl, „Schelli“ war Besitzer eines kleinen „Brennabor“. Das war ein zweisitziges Cabrio. Es ließ sich gar nicht so einfach in Betrieb setzen. Es hatte keinen elektrischen Anlasser. Der leicht alkoholisierte „Schelli“ musste es mit einem mechanischen Handanlasser zum Start ermuntern. Das war für uns natürlich ein amüsantes Bild.

Nun ja, der Straßenverkehr war damals noch äußerst gering, so konnte „Schelli“ ohne Schaden nach Hause gelangen, während sich die Prozente in Promille verwandelten. Nur wenn er mit seiner Frau zusammen ausfuhr, schien er sehr nüchtern zu sein. War es die Furcht vor dieser Respektsperson? Frau Schellenberg thronte groß und breit neben ihm auf dem Beifahrersitz, man sah den kleinen „Schelli“ kaum. Der Wagen hatte Schlagseite, es war ein lustiges Schauspiel.

Jungen Damen gegenüber stellte er gern den Kavalier alter Schule dar. Schwestern und Freundinnen seiner Schüler lud er dann auch bei Schulfeierlichkeiten zu einigen alkoholfreien(!) Getränken ein, freute sich, wenn sie „Herr Dr.“ zu ihm sagten, und fühlte sich in ihrer Gesellschaft sichtlich wohl.

Wo sind sie geblieben, die unverwechselbaren Originale? Hoffentlich werden auch unsere Nachfolger von „Typen“ berichten können. Es wäre schade, wenn wir nur noch „gestylte“ Einheitslehrer hätten.

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Es folgen programmtechnische Hinweise:

Günna Warneke: Die Wächterin am Tor zur Hölle!

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