Krause

Hans Krause, “Kubo” (1904 - 1983): 

Kunsterziehung

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Der „Kunstbock“

Natürlich gehört auch Kunst zu den Fächern, in denen wir Domgymnasiasten unterrichtet wurden, auch wenn es die geringe Bedeutung eines Nebenfaches nicht leugnen konnte. Derjenige Kunstlehrer, der sich am stärksten mit darstellender Kunst identifizierte, war Studienrat Krause, genannt „Kunstbock“ oder kurz „Kubo“.

Vielleicht um sich als Künstler vom gemeinen Schulvolk abheben zu können, trug er immer einen weißen Kittel. Kunstunterricht bedeutete für uns nicht Aufnahme anstrengenden Lehrstoffes, sondern galt mehr als Vorstufe von Freizeit und Entspannung.

„Kubo“, im Grunde zurückhaltend und misstrauisch, gab sich als vornehmer Vertreter eines bedeutenden Faches. Wir als naturwissenschaftlich ausgerichtete, aber sonst auf Abwechslung bedachte Schüler, konnten seine anspruchsvolle Botschaft wenig überzeugend finden.

Also malten, zeichneten, klebten wir Bilder, deren Themen er vorgab. Wenigstens Christian, der „Künstler“ in unserer Klasse, der später Architektur studierte und auch Architekt wurde, und Klaus hatten einen ansehnlichen künstlerischen Einschlag, für die anderen war die Doppelstunde im besten Falle Entspannungsmöglichkeit, im fragwürdigeren Sinne die unterhaltsamen Möglichkeit, „Kubo“ ein wenig zu provozieren. Es gehörte zu unserer Imagepflege, von „Kubo“ in das Kassenbuch wegen irgendwelcher – im Grunde harmloser - Schandtaten eingetragen zu werden. Immerhin, aus seinen Vorträgen zur Theorie ist etwas haften geblieben. Das Erkennen der Stilarten zum Beispiel, der Unterscheidung zwischen materialgerechter Verarbeitung eines Werkstoffes und Kitsch. Das war es dann schon.

Fast hätten wir die Geschichte mit den Tuben vergessen. Irgendwie, der Ursprung liegt im dunkeln, hatte „Kubo“ durch den Kauf oder die Beschäftigung mit Farbtuben wohl unsere Aufmerksamkeit erregt, es entstand jedenfalls der Ausspruch vom „Kunstbock aus der Tube“. Er bekam das mit und wachte argwöhnisch darüber, dass etwaige Tafelschmierereien mit einem Männerkopf, der aus einer Tube hervorschaut, schnell gelöscht wurden.

Einmal beauftragte er einen neuen Schüler, namens Hünerschulte, während der Stunde im nahegelegenen Fachgeschäft Mahnke Farben im Gläschen für ihn zu kaufen. Der kam aber mit leeren Händen wieder und meldete ahnungslos, dass es das nicht in Gläsern, sondern nur in Tuben gäbe. Die Klasse brüllte los. „Kubo“ zuckte ob dieser vermeintlich ungeheueren Provokation zusammen. Aber dem Gesicht des völlig verdatterten Hünerschulte entnahm er glücklicherweise, dass hier kein frevelhafter Anschlag auf seine Reputation geplant war, sondern dass es sich um Unkenntnis handelte.

© Ulrich Kohlstädt 2019